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Geschichten weben Teil 2

Du hast es geahnt. Beim Geschichtenweben zählen natürlich nicht nur die Kettfäden, sondern auch die Schussfäden!


Beim (richtigen) Weben (am Webstuhl) sind sie auf dem Webschiffchen aufgehaspelt und die WeberIn „schießt“ das Schiffchen zwischen den aufgefächerten Kettfäden hindurch (vorausgesetzt, sie hat so ein Riesending von Webstuhl mit Fußpedal und allem, weil wenn nicht, ist das mit dem Schießen nicht so weit her. Dann ist das eher ein Fädeln … aber das nur am Rande). Während die Kettfäden immer gleichbleiben, kann die WeberIn die Farbe des Schussfadens wechseln und mit Hilfe mehrerer verschiedenfarbiger Schussfäden Muster weben.





Es ist dem Wort anzuhören: Schussfäden bringen Schwung, Farbe und Veränderung; sowohl in die Webarbeit als auch in die Geschichte. Und so viele Muster es beim Weben gibt, so viele Möglichkeiten haben wir AutorInnen unsere Schussfäden zu nutzen und zu Mustern zu arrangieren.


Der Klassiker unter den Schussfäden ist der Auftritt einer neuen Figur. Dazu lohnen sich vorab ein paar Gedanken zur Rolle, die diese in der Geschichte einnehmen soll. Grob gesagt lassen sich Nebenfiguren in Helfer bzw. Freunde und Antagonisten einteilen.


Freundinnen oder Helferinnen verkörpern dabei oft eine Fähigkeit, die der Heldin fehlen. Damit kontrastieren sie die Fähigkeiten des Helden und bieten gleichzeitig die Möglichkeit, fehlende Informationen zu ergänzen.


Zu abstrakt? Angenommen mein Held kommt in ein fremdes Land und braucht eine ortskundige Führerin. Sie bringt aber nicht nur die fehlende Fähigkeit mit, sondern auch (als dreidimensionale Figur) ihre eigene Geschichte, ihre eigenen Empfindlichkeiten, Stärken; kurz, ihre eigene Farbigkeit. Die neue Figur bietet Möglichkeiten für Konflikte, stellt Informationen zur Verfügung oder bildet „nur“ eine Projektionsfläche für den Helden. In jedem Fall aber verleiht sie der Geschichte neuen Schwung.


Ungleich stärker ist dieser Effekt mit dem Auftritt eines Antagonisten. Er verkörpert die dunkle Seite meiner Heldin: Ihre größte Schwäche und ihre schmerzlichsten Verletzungen. Durch sein Auftreten übt der Antagonist Druck auf die Heldin aus und zwingt sie auf einer ganz grundsätzlichen Ebene zum Handeln: Leben oder Sterben, Erfolg oder Niederlage. In Konfrontation mit dem Antagonisten kann die Heldin nicht nichts tun: Sie muss Farbe bekennen.


Eine neue Figur bietet also viel Gelegenheit, Farbe in die Geschichte zu bringen. Neuen Schwung verleiht aber grundsätzlich jede Art von Konflikt, sei es ein Innerer oder Äußerer. Eine neue Herausforderung, eine zusätzliche Verschärfung oder ein neues Setting – es gibt unendlich viele Möglichkeiten.


Wenn also deiner Geschichte die Puste auszugehen droht, dann lohnt es sich, einen neuen Schussfaden aufzuhaspeln.

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