top of page
  • AutorenbildNoëmi Sacher

Konflikt, Konflikt

Konflikt. So lautet der wichtigste Rat von James N. Frey zum Thema Spannung. Frey ist ein US-amerikanischer Autor und Dozent für kreatives Schreiben. Der Titel seines Bestsellers lautet: „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“.



Ich bin kein großer Fan von reißerischen Titeln und plakativen Ratschlägen. Aber in diesem Fall hat Frey Recht: Spannend ist eine Geschichte dann, wenn sie von Konflikten handelt.


Warum ist das so?

Die Frage, die wir uns zuerst stellen müssen ist: Warum lesen wir eigentlich? Was bewegt uns dazu, freiwillig unsere Lebenszeit in die Beziehung mit fiktiven Personen zu investieren, die wir niemals kennenlernen werden? Das ist doch im Grunde absurd.

Trotzdem tun wir genau das und der Mythenforscher Joseph Campbell hat auch eine Antwort darauf, warum dem so ist:

Das Leben eines Menschen ist seit alters her gespickt mit Schwierigkeiten. Zu Zeiten der Höhlenmenschen mögen die Bedrohungen größtenteils von außen gekommen sein (der Säbelzahntiger lässt grüßen), aber auch damals schon haben sich die Menschen zu Gruppen zusammengeschlossen, und wir alle wissen: wo Menschen sind, da menschelt es. Es kommt zu Missverständnissen, Missgunst, Machtspielen und Mutwilligkeit. Sprich: zu Konflikten.


Die Frage, wie wir als Menschen Konflikte bewältigen, ist also eine der zentralen Fragen des (Über-)Lebens.

Ob wir gesund und glücklich sind, hängt bis heute zum größten Teil davon ab, wie gut es uns gelingt, die Konflikte, die uns das Leben (meist ungefragt) beschert, zu bewältigen. Und in Bezug auf Konflikte erstreckt sich die Intensitäts-Spanne von den kleinen Reibereien des Alltags bis hin zu den großen Übergängen des menschlichen Lebens: Geburt, Erwachsenwerden und Tod. Jeder dieser Übergänge, jede Herausforderung des täglichen Lebens geht mit einem großen oder kleinen, einem inneren und/oder äußeren Konflikt einher.


Nun gibt es im Grund drei Möglichkeiten, Bewältigungsstrategien für Konflikte (unterschiedlichster Art) zu erlernen.


1) Du probierst es aus, scheiterst, und probierst es wieder.

2) Du schaust dir ab, wie es andere machen, und kopierst die Strategien, die dir nützlich erscheinen (auch hier ist scheitern selbstverständlich inbegriffen, aber das Risiko ist immerhin geringer).

3) Du erlebst Konflikte anderer mit und übst Konfliktbewältigung, indem du dich in die Lage der Konfliktparteien hineinversetzt.


Und hier kommen die Geschichten ins Spiel.

Denn Geschichten sind nichts anderes als das, was in Punkt 3 beschrieben ist. Wenn wir eine Geschichte lesen (einen Film schauen, der Schilderung einer Freundin lauschen), dann versetzen wir uns in die Lage der handelnden Figur. Wir erleben deren Konflikte mit und reflektieren dabei, was wir selbst an ihrer Stelle getan hätten. Wenn wir lesen (ein Theater besuchen oder wenn ein guter Freund uns seine Schwierigkeiten anvertraut), versetzen wir uns in die Lage der anderen hinein und erproben, wie wir selbst uns fühlen würden und was unsere Möglichkeiten wären, mit dieser Situation umzugehen.

Wir alle hungern danach, gute Strategien zu erlernen, die uns zu glücklichen und gesunden Menschen machen – und darum lieben wir Geschichten. Aber nicht alle. Nur diejenigen, in denen es um Konflikte geht.


Und das ist weder reißerisch noch plakativ, sondern einfach – menschlich.


44 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page